Österreicher und Deutsche trennt angeblich die gemeinsame Sprache.
Möglich.
Doch scheinen die vorab gefällten Urteile über Länder, Menschen oder auch Situationen viel schwerer zu wiegen als oberflächliche, wahrnehmbare Unterschiede.
Die größte mögliche Kluft reißen Vorurteile.
Österreicher und Deutsche als Beispiel. Eines unter vielen.
Urteile VOR dem echten Kennenlernen.
Dabei könnte Mensch Vor-Urteile als Werkzeuge verwenden. Wenn er sie denn schon zu brauchen scheint. Wenn er schon nicht vor ihnen gefeit zu sein scheint.
Als Schubladen verwenden, die helfen, Menschen und Länder einzuordnen.
Und erkennen, dass es nicht um die Schubladen geht.
Sondern um die Sachen darin und vor allem die Möglichkeit, diese aus den Schubladen wieder rauszuholen.
Nochmal anschauen, im Licht drehen. Ausprobieren. Kennenlernen.
Mensch sollte andere Menschen mindestens zweimal anschauen, am besten immer wieder aus den subtilen Schubladen im Kopf rausholen. Sich mit ihnen beschäftigen.
Und darf sie auch komisch finden. Seltsam. Vielleicht unangenehm, manchmal schräg. Sich auch über sie ärgern. Darf das Anders-sein empfinden.
Das macht den Reiz aus. Den Reiz des immer-wieder-Kennenlernens. Vor allem von Menschen, die man – meist fälschlicherweise – zu kennen scheint.
Seine Schubladen ausräumen, die Menschen darin von den gedanklichen Spinnweben abputzen und sie als Kunstwerke, als Schmuckstücke betrachten.
Vielleicht wird sich Mensch bei diesem mentalen Frühjahrsputz plötzlich neuer Seiten bewusst. Und entscheidet, die Ordnung zu verändern. Die Menschen in andere Kategorien, in neue Schubladen zu sortieren.
Bis zum nächsten Mal.
Ordnen, neu sortieren. Sich ordnen. Sich neu sortieren.
Bis vielleicht der ganze Schrank samt Schubladen entsorgt werden kann.
Bis nur ein freies Gedankennetz ausreicht um darauf im zwischenmenschlichen Raum zu balancieren.
Bis Urteile nicht mehr VOR Menschen und Ländern und Situationen stehen müssen.
Bis Urteile wertfrei werden.
Bis Urteile sich in grenzenlose Gedanken verwandeln.
KW 34/12
izniak 08/2012